Sicher kennen Sie Mr. Spock aus der Serie „Star Trek“. Mister Spock war erster und wissenschaftlicher Offizier an Bord des Raumschiffs Enterprise. Als Halb-Vulkanier, deren Gesellschaft rein auf Logik beruht und ihre Gefühle unterdrückt, reagierte er – trotz seines gelegentlich durchschimmernden menschlichen Erbes – stets logisch und besonnen. Er vertraute ausschließlich auf den Verstand. Kultstatus erlangten seine Ein-Satz-Analysen und sein mit erhobener Augenbraue vorgetragenes „Faszinierend“. Auf diese Weise reagierte er auf Phänomene, die anderen unglaublich oder auch bedrohend erscheinen – und betonte damit seine wissenschaftliche und neutrale Sicht der Dinge.
Im wahren Leben würde Mr. Spock, paradoxerweise, in der Psychiatrie landen, aber nicht als Offizier auf fernen Planeten. Denn wer keine Emotionen hat oder sie mit aller Macht zu unterdrücken versucht, ist sozial nicht (über)lebensfähig. Aus demselben Grund bleibt auch der brillanteste Computer ein seelisches Nichts. Er kann zwar erfolgreich Schach spielen, Differenzialgleichungen lösen und Finanzmodelle berechnen, bei Beethoven, Celine Dion oder Titanic aber keine Gänsehaut bekommen.
Als Menschen funktionieren wir jedoch komplett anders, zumindest solange wir seelisch gesund sind. Wir haben genetisch geprägte Emotionen, ohne dass wir willentlich daran etwas ändern könnten. Emotionen durchfließen und leiten uns in jeder Sekunde – das haben verschiedene Studien mehrfach festgestellt und die moderne Hirnforschung mittlerweile bewiesen. Mit den heutigen Bildverfahren der Hirnforschung können Emotionen sichtbar gemacht werden und was dann Zeile für Zeile auf den Computerschirmen aufleuchtet, ist der Beweis, dass Emotionen in allen Teilen des Gehirns entstehen beziehungsweise abgespeichert werden. Unser gesamtes Fühlen und Handeln wird vom limbischen System in der Mitte des Gehirns emotional bewertet, ohne dass wir es bemerken. Deshalb sagt Antonio Damasio: “Wir werden von Emotionen gesteuert wie von der Schwerkraft, nur bemerken es nicht“.
Deshalb sind Emotionen sogar überlebensnotwendig! Sie helfen uns, unseren Weg durch eine Welt zu finden, die voller Unwägbarkeiten ist und in der wir mit dem Verstand allein zugrunde gehen würden. Nicht nur, weil wilde Tiere uns bedrohen könnten. Wir könnten auch als soziale Wesen nicht existieren, hätten wir unsere Emotionale Intelligenz nicht – und hätten wir nicht zudem die Gabe, die Traurigkeit, Freude oder Wut der anderen zu erkennen. Wer empathisch beobachtet, was ein Wort, ein Satz, eine Geste von uns auf der anderen Seite auslöst, kann die Kommunikation steuern. Ist das Antwortsignal positiv, ein lächelnder Mund, freundliche Augen oder eine entspannte Körperhaltung etwa, führt das vermutlich auch bei uns zu Zufriedenheit und Ruhe. Ist die Reaktion jedoch negativ, macht uns das womöglich ein „schlechtes Gewissen“. Es sei denn, es war sogar unsere Absicht, den anderen zu verärgern oder einzuschüchtern. Dann verspüren wird das Gefühl von Genugtuung oder Macht.
Ihre Emotionen schlagen Ihre Vernunft
Können Sie mir ein einziges Beispiel nennen, ein einziges Ereignis in der gesamten menschlichen Geschichte, egal ob mit positiven oder negativen Folgen, in dem die Vernunft – also die klassische rationale Vernunft, der Logos, der Verstand über die Emotionen gesiegt hat? Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie dieses bei genauer Analyse nicht finden werden. Der Mensch ist nicht wirklich logisch! Jedenfalls nicht, solange die Emotionen als das anerkannt werden, was sie sind, nämlich als Entscheidungsfaktoren oder Kommunikations-Signale. Bei genauer Selbstreflektion findet jeder von uns hunderte von Beispielen, in denen Kommunikation erst „sachlich“ wurde, nachdem die anwesenden Emotionen gewürdigt wurden. Ebenso findet jeder von uns hunderte wenn nicht tausende von Beispielen, in denen das völlige Ignorieren von Emotionen erstmal dazu geführt hat, dass diese eskalierten.
Fazit:
Hirnforscher faszinierte noch vor wenigen Jahren in erster Linie unser imponierender Verstand, die Fähigkeit zu kalkulieren, zu kombinieren und konstruieren wie kein anderes lebendes Wesen auf Erden. Doch der Versuch, den Menschen allein über den klaren, von Emotionen ungetrübten Intellekt zu definieren, führte in die Irre. So funktionieren wir Menschen nun mal nicht. Zoff am Arbeitsplatz, die Ehekrise oder Zahnschmerzen, die uns plagen, lassen sich nicht einfach „wegdenken“ und in die Weite des Universums zu katapultieren. Eben weil der Verstand nicht getrennt von dem arbeitet, was uns bewegt oder wie es uns körperlich gerade geht. Schmerzen und Lust, Vertrauen und Enttäuschung, Langeweile und Neugier, Wut und Zärtlichkeit, Freude und Trauer, Liebe, Hass und Eifersucht – die schier endlose Palette von Stimmungen und Emotionen und all ihren möglichen Mischungen und Schattierungen gibt unserem Leben erst Farbe und Gestalt. Machen Sie sich klar, dass wir nichts ohne Emotionen und Gefühle sind. Emotionen sind nicht nur überlebensnotwendig, sondern erfolgsentscheidend. Ein ständiges Wechselspiel von emotionaler Aktion und Reaktion bestimmt, wie wir miteinander kommunizieren, und macht das Zusammenleben von Menschen erst möglich. Verliert man die Fähigkeit zur „Empathie“, die emotionale Signale der anderen deuten lässt, kommt es zur Katastrophe. Verliert man seine Emotionalität, ist man reif für die Psychatrie. Allerdings: So wichtig es ist, auf unsere Emotionen zu hören, so wichtig ist es andererseits, deren drängende Handlungsvorschläge noch einmal prüfend in das Licht der Vernunft zu halten.
Mehr unter: https://www.youtube.com/watch?v=wGDwvHFPQCc
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